Recruiting im Handwerk: Besonderheiten und universelle Prinzipien
Ein Gespräch mit Beate Schulte – Head of Recruiting und Employer Branding bei Geers – über erfolgreiches Offboarding, Führung in Teilzeit und Mitarbeiterloyalität.
Recruiting, Onboarding und Mitarbeiterbindung sind alles Phasen des Employee Lifecycles, mit denen Unternehmen sich im Rahmen ihrer Employer-Branding-Strategie auseinandersetzen.
Eine Phase wird dabei aber oft vernachlässigt: das Offboarding von Mitarbeitern – auch als Exit Management bekannt. Wir haben mit Beate Schulte, der Leiterin des Recruiting und Employer Branding bei Geers, über die Bedeutung eines gut durchdachten Offboarding-Prozesses für Unternehmen gesprochen.
Darüber hinaus hat sie uns Einblicke in die speziellen Herausforderungen des Recruitings im Handwerksbereich, ihre Erfahrungen als Teilzeit-Führungskraft und ihre Gedanken zur Nutzung beruflicher Netzwerke außerhalb von LinkedIn gegeben.
Hallo Beate. Bei LinkedIn wirst du als “eine der engagiertesten Employer Brand Managerinnen” und als “sehr kreative Persönlichkeit, welche es versteht, Kolleg:innen mitzureißen und zu inspirieren” beschrieben. Es freut mich daher umso mehr, dass wir heute miteinander sprechen. Magst du dich kurz vorstellen und erzählen, wie du zu Geers gekommen bist?
Ich bin Beate Schulte, 38 Jahre alt und habe einen sechsjährigen Sohn. Ich bin gebürtige Österreicherin. Seit meinem 22. Lebensjahr arbeite ich im Bereich Recruiting und Employer Branding und habe in dieser Zeit verschiedene Unternehmen, Geschäftsmodelle, Strategien, Industrien und Zielgruppen kennengelernt. Im September 2022 bin ich zu Geers gestoßen.
Mein aktueller Chef hat mich damals kontaktiert und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, sein Team zu verstärken. Ich fand die Herausforderung bei Geers im Bereich Recruiting und Employer Branding besonders reizvoll, da die Zielgruppe der Hörakustiker so anders ist. Ich wusste, dass ich mich zuerst in diese neue Zielgruppe einarbeiten müsste.
Die Tatsache, dass die Hörakustiker dem Handwerk angehören, hat mich zusätzlich angesprochen. Handwerksberufe wie Akustiker, Elektroniker, Tischler, Dachdecker und Augenoptiker benötigen mehr Sichtbarkeit, wenn es darum geht Talente zu gewinnen. In Deutschland und wahrscheinlich auch in ganz Europa erhält die IT-Branche viel Aufmerksamkeit, unter anderem durch Regierungsinitiativen für die MINT-Berufe. Ich war der Ansicht, dass es wichtig ist, dem Handwerk in dem Bereich der Hörakustik mehr Beachtung zu schenken.
Die Nachrichtenagentur dpa hat vor kurzem Umfrageergebnisse veröffentlicht, dass Teilzeitmodelle für Führungskräfte auch immer mehr in deutschen Großunternehmen etabliert werden.
Du bist bei Geers als Führungskraft in Teilzeit tätig. Hat das deinerseits Überzeugungskraft benötigt? Wie würdest du sagen, hat das Modell deine Rolle als Führungskraft beeinflusst?
Es war keine Überzeugungskraft notwendig; vielmehr habe ich von Anfang an klargemacht, dass ich lediglich 32 Stunden pro Woche arbeiten möchte. Es war immer deutlich, dass es nicht darum ging, wie viele Stunden ich anwesend bin, sondern welche Ergebnisse erreicht werden. In der Vergangenheit hatte ich nie Probleme, wenn ich weniger Stunden gearbeitet habe, da meine Leistungen stets konstant geblieben sind. Daher war es überhaupt kein Problem das Unternehmen von dem Modell zu überzeugen.
Im Vergleich zu anderen Unternehmen war die Herangehensweise in meinem früheren Arbeitsumfeld erfrischend anders. Bei meinem vorherigen Arbeitgeber wurde im Vorstellungsgespräch zuerst danach gefragt, wie viele Stunden man arbeiten könne. Ich finde es weitaus angemessener, anstatt ein festes Vollzeitarbeitsmodell vorauszusetzen, zu erfragen, wie viele Stunden die Bewerbenden leisten können.
Meiner Erfahrung nach hat das Modell definitiv einen positiven Einfluss auf Führungskompetenzen. Zum einen wird die Fähigkeit der Delegation durch die begrenzte Zeit gefördert, was wiederum das Vertrauen in Kolleg:innen und Mitarbeiter:innen stärkt. Durch das Delegieren erkennt man, dass eine Führungskraft nicht dafür verantwortlich ist, alles selbst zu erledigen. Es ist von entscheidender Bedeutung, Vertrauen in die Fähigkeiten der eigenen Mitarbeitenden zu haben und diese zu fördern.
Ein weiterer positiver Aspekt betrifft die Arbeitsorganisation. Selbstorganisation wird besonders relevant, wenn man zeitliche Einschränkungen hat und möglicherweise außerberufliche Verpflichtungen wie das Abholen eines Kindes zu bewältigen hat. In solchen Situationen ist effizientes Organisationsmanagement entscheidend, ebenso wie die Fähigkeit, sowohl „Ja“ als auch „Nein“ sagen zu können. Offenheit und Transparenz spielen hierbei eine wichtige Rolle. Führungskräfte sollten als Vorbilder fungieren, insbesondere wenn es darum geht, die Zeit effizient zu nutzen und gleichzeitig die eigene Arbeit erfolgreich zu bewältigen.
Es ist von großer Bedeutung, für sich selbst Klarheit zu schaffen und Grenzen in Bezug darauf zu setzen, was man bewältigen kann. Dies erfordert eine sorgfältige Analyse der Prioritäten und die Fähigkeit, Aufgaben zu delegieren und die Arbeit zu organisieren. All diese Aspekte führen zu einer proaktiveren Herangehensweise, die in verschiedenen Situationen sichtbar wird.
Jedoch habe ich auch bei vielen Teilzeit-Führungskräften bemerkt, dass es eine Kehrseite gibt. Manchmal müssen sie ihre Zeit strikter einteilen und können sich weniger informell mit Kollegen austauschen. Dieser kulturelle Aspekt muss an anderer Stelle ausgeglichen werden und darf deshalb nicht vernachlässigt werden. Zeitmanagement ist daher ein entscheidender Faktor, um erfolgreich in Teilzeit zu führen.
Auf LinkedIn appellierst du gerne direkt an Führungskräfte und ihre konkrete Rolle in Bezug zum Thema “Mitarbeiterbindung” – wie sieht für dich ein effizientes Zusammenspiel zwischen HR und Führungsebene aus?
Meiner persönlichen Meinung nach ist das harmonische Zusammenspiel zwischen HR und Führungsebene ein zentrales Thema in der Zusammenarbeit. In einer Kooperation ist es von entscheidender Bedeutung, dass gegenseitige Transparenz in der Kommunikation herrscht. Ich glaube, es ist unerlässlich, sicherzustellen, dass Informationen nicht an den Beteiligten vorbeigehen, sondern dass alle Beteiligten stets auf dem gleichen Wissensstand sind. Dies bedeutet, dass, sobald Führungskräfte oder das Management Gedanken zu einem Thema entwickeln, ich bereits im Vorfeld darüber nachdenke, wie ich HR einbeziehe, damit zusammen überlegt werden kann, wie bestimmte Aspekte umgesetzt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass sämtliche relevanten Aspekte angemessen berücksichtigt werden können.
Ich bin der Ansicht, dass es von größter Bedeutung ist, den HR-Bereich nicht lediglich als Verwaltung und Ausführung von Aufgaben zu begreifen, sondern vielmehr als integralen Bestandteil eines kontinuierlichen Austauschprozesses zu sehen. In diesem Sinne betrachte ich die Beteiligten als Sparringspartner, da sie vielfältige Perspektiven, einschließlich rechtlicher Aspekte, Prozesse und wertvolle Anregungen einbringen, die das Gesamtbild bereichern. Mein Appell ist daher, HR nicht erst dann einzubeziehen, wenn Entscheidungen bereits getroffen wurden, sondern bereits in die Planungs- und Überlegungsphasen aktiv miteinzubeziehen.
Wir haben auch gesehen, dass du in den letzten drei Jahren viele Weiterbildungen absolviert hast. Wie wichtig schätzt du es ein, dass man sich im Rahmen von organisierten Weiterbildungen regelmäßig neue Impulse für die eigene Arbeit einholt. Welche Verantwortung tragen dabei Unternehmen und Arbeitnehmer:innen?
Ich persönlich sehe Weiterbildungen als äußerst bedeutend an. Allerdings denke ich, dass die Relevanz von Weiterbildungen stark von der individuellen Persönlichkeit abhängt. Ich persönlich bin sehr wissbegierig und strebe danach, Theorie in die Praxis umzusetzen und mich kontinuierlich zu verbessern. Dabei ist es entscheidend, auf Veränderungen in den Arbeitsanforderungen und Organisationsstrukturen zu reagieren und sich entsprechend anzupassen. Ein gut ausgestatteter Methodenkoffer ist in diesem Kontext äußerst hilfreich.
Als Beispiel: Ich arbeite in der Workshop- und Schulungsbranche und habe festgestellt, dass ich bestimmte Fähigkeiten, wie visuelle Präsentation, entwickeln musste, um den Bedürfnissen meiner Teilnehmer:innen gerecht zu werden. Daher halte ich es für wichtig, ständig zu evaluieren, welche Fähigkeiten und Kenntnisse benötigt werden, um seinem Feld erfolgreich zu sein.
Es ist essenziell, sich selbst zu reflektieren und zu erkennen, in welchen Bereichen man Experte ist und wo man Unterstützung benötigt. Jeder hat seine Stärken, und es ist wichtig, diese gezielt einzusetzen. Zum Beispiel schreibe ich nicht so gerne, aber ich habe Teammitglieder, die darin exzellent sind. Wir ergänzen uns gegenseitig.
Für mich ist Weiterbildung eine gemeinsame Verantwortung von Arbeitgebern und Arbeitnehmer:innen. Arbeitgeber sollten die Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung bieten und finanziell unterstützen. Gleichzeitig sollten Arbeitnehmer:innen die Verantwortung für ihre eigene Weiterentwicklung übernehmen und ihre Interessen und beruflichen Ziele aktiv verfolgen. Orientierung und klare Ziele sind entscheidend, um die eigene Karriere zu gestalten.
Rückblickend habe ich immer versucht, das Gelernte in der Praxis umzusetzen, und das hat mir stets geholfen. Besonders drei Weiterbildungen haben sich als besonders wertvoll erwiesen: Die Schulung zum SparkCanvas Facilitator & Practitioner, die Zertifizierung in Employer Branding von der DEBA Deutsche Employer Branding Akademie GmbH und die systemische Organisationsberater-Ausbildung bei SWF – Simon Weber Friends. Diese Kurse haben mir nicht nur theoretisches Wissen vermittelt, sondern mir auch die Möglichkeit gegeben, das Gelernte direkt in meiner Arbeit anzuwenden. Besonders aufregend wurde es, wenn sich aus diesen Weiterbildungen neue Produkte oder Projekte entwickelten.
Eins deiner Schwerpunktthemen auf LinkedIn ist das Offboarding von Mitarbeitenden. Bezogen auf das 7 Phasen Modell des Employee Lifecycles, welche Phase siehst du neben dem Offboarding häufig vernachlässigt?
Ich bin der Überzeugung, dass dieses Thema zunehmend an Bedeutung gewinnt und stark von der Zielgruppe abhängt. Es fällt auf, dass das sogenannte Pre-Onboarding, also die Vorbereitung vor dem eigentlichen Eintritt in das Unternehmen, bereits von vielen Unternehmen praktiziert wird. Dennoch gibt es noch Raum für Verbesserungen. Dies ist besonders relevant angesichts der verlängerten Kündigungsfristen, die möglicherweise auf den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zurückzuführen sind. Dies erschwert es Unternehmen, die Zeitspanne zwischen Vertragsunterzeichnung und dem tatsächlichen Arbeitsantritt zu überbrücken.
Die zentrale Frage ist, ob dies ein zukünftiges Problem ist, dem wir uns rechtzeitig stellen sollten. Diese Phase ist äußerst kritisch, da die Bewerbenden zwar bereits zugesagt haben, jedoch noch keine feste Bindung an das Unternehmen besteht. In dieser Phase besteht immer noch die Möglichkeit, dass Bewerbende alternative Jobangebote erhalten, insbesondere wenn ein Angebot von einem Unternehmen in Wohnortnähe eingeht. Abhängig von der Zielgruppe kann dies dazu führen, dass Kandidat:innen nach Unterzeichnung des Vertrags abspringen. Aufgrund des Fachkräftemangels steigt das Risiko eines solchen Abbruchs zusätzlich an.
Ich denke, es ist wichtig, faire Systeme zu schaffen, die sowohl technologisch als auch prozessual unterstützen. Die Führungskraft, bei der neue Kandidat:innen oder neue Mitarbeitende landen, sollte in den Prozess einbezogen werden. Ebenso muss das Team in den Einstellungsprozess eingebunden werden. Dies sind verschiedene Aspekte, die genauer betrachtet werden sollten.
Eine Frage, die sich stellt, ist, wie wir mit Datenschutz umgehen, wenn Personen noch außerhalb des Systems tätig sind. Wie können wir diese Lücke schließen, ohne unnötige Risiken einzugehen, wie beispielsweise vorzeitige Datenfreigaben?
Ebenso sollten die Perspektiven der vorherigen Mitarbeitenden in Betracht gezogen werden. Damit ein nahtloser Übergabeprozess erfolgen kann und die vorherigen Mitarbeitenden Projekte und Aufgaben erfolgreich abschließen können, sollten Unternehmen darüber nachdenken, wie sie gleichzeitig den Offboarding-Prozess unterstützen können.
Es lohnt sich auch zu überlegen, wie Veranstaltungen oder Aktivitäten organisiert werden können, um diesen Übergangsprozess zu erleichtern und möglicherweise bereits vor dem Eintritt der Person ins Unternehmen eine Verbindung zu dem neuen Unternehmen und seinen Mitarbeiter:innen herzustellen.
Wie sieht für dich ein erfolgreiches Offboarding aus und habt ihr in eurem Unternehmen ein Alumni-Programm etabliert? Wenn ja, wie ist dieses Alumin-Programm aufgebaut?
In meinem aktuellen Unternehmen haben wir erkannt, dass dieses Thema weiterentwickelt werden sollte und befinden uns zurzeit in der Weiterentwicklungsphase. Also wie sollte der optimale Offboarding-Prozess aussehen? Wenn wir den Kündigungsprozess betrachten, der je nach Geschäftsmodell variieren kann, beginnt er oft mit einer mündlichen Kündigung bei der Führungskraft. Anschließend erfolgt häufig die schriftliche Bestätigung der Kündigung. In einer idealen Welt müsste dies nicht mehr schriftlich geschehen, sondern ähnlich wie bei digitalisierten Bewerbungsverfahren mit nur wenigen Klicks funktionieren. Nach dem Kündigungsgespräch könnte dies einfach im HCM-System hinterlegt und mit einer digitalen Unterschrift versehen werden. Das ist nur ein Zukunftsszenario.
In dieser idealen Vorstellung ist es auch wichtig, dass beim Ausscheiden eines Mitarbeitenden automatisch ein Exit-Gespräch stattfindet. In diesem Gespräch sollte die Führungskraft die Gelegenheit nutzen, die Gründe für die Kündigung zu besprechen und mögliche unerfüllte Erwartungen zu ergründen. Es ist wichtig, dass in diesem Prozess Wertschätzung gezeigt wird und dass das Feedback dokumentiert wird. In der Durchführung dieser Gespräche sollte jede Führungskraft geschult sein.
Der nächste Schritt besteht darin, den Offboarding-Prozess zu gestalten. Dies sollte eine klare Anleitung für Führungskräfte und Teams beinhalten, die erklärt, was zu tun ist, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Viele Mitarbeitende sind unsicher darüber, wie es nach ihrer Kündigung weitergeht, daher ist es wichtig, ihnen eine strukturierte Reise anzubieten, ähnlich wie im Onboarding-Prozess. Im Offboarding-Prozess sollten genauso Meilensteine und Übergaben festgelegt werden.
Es ist entscheidend, den Abschied nicht abrupt zu gestalten, sondern ihn zu zelebrieren. Dies zeigt Wertschätzung für die geleistete Arbeit und schafft einen sanften Übergang. Je nach Rolle und Verantwortung müssen auch die Daten der Mitarbeitenden entsprechend den Datenschutzbestimmungen übertragen werden. Dies wird besonders im Alumni-Management relevant. Habe ich bereits erfasst, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mich Talente darstellen und deren Wiedereinstellung bereits in Erwägung gezogen werden kann? Wie lässt sich dies am besten kategorisieren? Und wie kann das Konzept dazu entwickelt werden? Ich verwalte Talentpools und Kandidatenpools. Die Idee ist, die Talente der Kandidat:innen zu identifizieren und relevante Kompetenzen hervorzuheben, um die Suche in meinem Pool effizienter zu gestalten.
Schließlich sollte der Kontakt zu den ehemaligen Mitarbeitenden aufrechterhalten werden, insbesondere wenn zuvor eine Einwilligung zur Kontaktaufnahme für potenzielle zukünftige Möglichkeiten eingeholt wurde. Es ist wichtig, die Beziehung zu pflegen und die Mitarbeitenden zu unterstützen, während sie sich in neuen Positionen einleben. Dies sollte in regelmäßigen Abständen erfolgen, etwa nach 3, 6 und 12 Monaten, um sicherzustellen, dass die Integration in die neue Rolle erfolgreich verläuft. Wenn dies nicht der Fall ist, ist es für die Mitarbeitenden naheliegend, darüber nachzudenken, ob eine Rückkehr zum vorherigen Unternehmen sinnvoll wäre.
Die Beziehungsebene ist entscheidend und es ist wichtig zu überlegen, wer die beste Beziehung zu den jeweils ausgeschiedenen Mitarbeitenden hat, sei es die Führungskraft oder die Kolleg:innen. Diese Beziehung sollte aktiv gepflegt werden, damit die Mitarbeitenden sich kontinuierlich willkommen fühlen und ein Teil des Unternehmens bleiben. Dies kann auch dazu beitragen, den Wissensaustausch und die Weiterentwicklung der ehemaligen Mitarbeitenden zu fördern.
Abschließend ist es wichtig, sicherzustellen, dass alle datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden, wenn der Kontakt aufrechterhalten wird. Dieser Prozess sollte gut durchdacht und sorgfältig gestaltet werden.
Was ein Alumni-Programm angeht, befinden wir uns aktuell in der Konzeptions- und Testphase. Das bedeutet, wir probieren zunächst verschiedene Dinge aus. Es hängt stark von den Systemen ab, die man verwendet. Dann kann der Kontakt auf verschiedene Arten aufrechterhalten werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, darunter schriftliche, telefonische und elektronische. Events sind ebenfalls Teil der Kommunikation und bieten viele Möglichkeiten, um in Kontakt zu bleiben. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit Veranstaltungen in verschiedenen Bezirken zu organisieren.
Die Struktur der Organisation spielt dabei ebenfalls eine Rolle. Wenn ein Teamevent stattfindet, ist das gut, aber wie holt man diejenigen zurück, die nicht anwesend waren? Das erfordert ein Konzept, das auf die Bedürfnisse des Teams zugeschnitten ist. Bei Kolleg:innen, die in Elternzeit sind, funktioniert das häufig bereits. Diese werden immer noch eingeladen, obwohl sie vielleicht seit zwei Jahren nicht mehr im Unternehmen präsent sind.
Ein wesentlicher Teil vom Offboarding sind Exit-Gespräche. Inwieweit kann man die daraus gewonnen Erkenntnisse nutzen, um die Mitarbeiterbindung zu verbessern? Fällt dir dazu ein Beispiel eines Exit-Gesprächs aus der Vergangenheit ein?
Momentan kann ich dazu leider nichts Konkretes sagen, da wir uns aktuell mitten in der Auswertung der Exit-Analysen befinden.
Aber grundsätzlich gesprochen: Bei Exit-Analysen werden verschiedene Aspekte betrachtet. Einige Unternehmen haben diesen Prozess bereits professionalisiert und führen Online-Exit-Analysen durch. Dabei werden sowohl quantitative Daten erfasst durch zum Beispiel Fragebögen. Theoretisch kann man hier vielfältige Erkenntnisse gewinnen.
In Bezug auf die qualitativen Daten ist es so, dass die Kommentare der Mitarbeitenden analysiert werden. Das bedeutet, man schaut, welche Themen in den Kommentaren auftauchen und gruppiert sie. Man kann beispielsweise fragen, was die Mitarbeitenden brauchen, um weiterhin im Unternehmen zu bleiben, oder was sie gerne verändern würden. Die Weiterempfehlungsquote des Arbeitgebers kann ebenfalls ein wichtiger Indikator sein.
Diese Themen werden dann gruppiert und analysiert, um zu verstehen, welchen Aufwand und welche Ressourcen sie erfordern. Man kann auch den potenziellen Einfluss auf das Unternehmen bewerten. Dies wird oft in Form einer Matrix durchgeführt und erfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team, da es viele Bereiche wie Führung, Organisation und Prozesse betrifft.
Danach geht darum, wie diese Themen angegangen werden können und welche langfristigen Projekte sich daraus entwickeln können. Die Umsetzung erfordert oft die Aufmerksamkeit des Managements, besonders wenn es sich um größere und langfristige Projekte handelt.
Normalerweise helfen uns solche Analysen dabei, unsere Maßnahmen zur Stärkung der Mitarbeiterbindung und zur Gestaltung unserer Arbeitgebermarke zu verbessern. Das schließt den Kreis und trägt zur langfristigen Mitarbeiterbindung bei.
Was ändert sich deiner Meinung nach im Hinblick auf Offboarding von vollständig remote angestellten Mitarbeiter:innen?
Ich denke, dass sich in der Tat einige Dinge ändern, wenn du ausschließlich remote arbeitende Teammitglieder hast. Die Beziehung zu diesen Personen entwickelt sich auf eine andere Weise, da du sie möglicherweise nur virtuell getroffen hast. Die physische Interaktion spielt definitiv eine Rolle, da sie eine andere Energie schafft, wenn du jemanden persönlich triffst. Das bedeutet, dass persönliche Begegnungen viele positive Aspekte fördern. Das ist bereits wissenschaftlich belegt.
Daher denke ich, dass der Offboarding-Prozess anders gestaltet werden muss. Denn selbst wenn du bestimmte Themen, sei es im Rahmen eines Austritts, besprechen musst, kannst du vielleicht weniger aus der Körpersprache und anderen nonverbalen Signalen ablesen. Die Frage, ob die Gründe für das Ausscheiden stimmig sind, kann in der virtuellen Welt schwerer beantwortet werden.
Auch wenn du dein Team über den Abgang informierst, ist es vielleicht schwieriger zu erkennen, wie sie auf solche Nachrichten reagieren. Die Fähigkeit, die Reaktionen des Teams zu lesen, ist in der virtuellen Umgebung möglicherweise begrenzter.
Des Weiteren finde ich es interessant, wie man virtuelle Abschiedsfeiern gestalten kann. Es erfordert kreatives Denken, um Momente zu schaffen, in denen Teammitglieder sich virtuell verabschieden können.
Andererseits denke ich, dass es sich gefühlsmäßig leichter anfühlen kann sich zu trennen, wenn man remote arbeitet. Der Übergang ist reibungsloser, wenn man von zu Hause aus arbeitet. Für die Mitarbeitenden kann es daher ein ganz anderes Gefühl sein.
Ich habe auch einige Remote-Kolleginnen und -Kollegen, und ich denke, wenn es darum geht, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, dann ist manchmal die physische Präsenz wichtig. Deshalb schlage ich vor, dass auch beim Offboarding die Möglichkeit in Erwägung gezogen wird, die Mitarbeitenden physisch zu verabschieden. Ich denke, es ist schöner, sich in Person zu verabschieden, nicht nur virtuell.
Du hast selbst einmal gesagt, dass das wichtigste Talent im Recruiting ist, gute Fragen stellen zu können. In all den Gesprächen in deiner Zeit im Recruiting – was ist die beste Frage, die dir je in einem Bewerbergespräch von einer bewerbenden Person gestellt wurde und warum?
Ich schätze es immer sehr, wenn Bewerberinnen und Bewerber nach den Herausforderungen in meiner aktuellen Rolle fragen. Wenn sie sich die Zeit nehmen, einen Blick auf unsere Unternehmensstrategie zu werfen und dann fragen, welche Herausforderungen ich in meiner Position sehe und wie ich diese angehe. Diese Frage zeigt, dass sie wirklich an der Position interessiert sind und darüber nachdenken, wie sie dazu passen könnten. Das ist aus meiner Sicht eine großartige Frage.
Eine weitere Frage, die ich schätze, ist, wenn sie nach der Unternehmenskultur fragen und wie ich sie beschreiben würde. Das zeigt, dass sie nicht nur auf die offensichtlichen Fakten achten, sondern tiefer gehen und verstehen wollen, wie es ist, hier zu arbeiten.
Wenn Bewerberinnen und Bewerber fragen, welcher Typ Mensch am besten zu unserem Unternehmen passt, finde ich das ebenfalls sehr positiv. Es zeigt, dass sie darüber nachdenken, wie sie in unser Team passen und welche Qualitäten geschätzt werden.
Was die Fragen betrifft, die Recruiter stellen sollten, ist es wichtig, immer tiefer in die Themen einzusteigen. Wenn Bewerbende allgemeine Aussagen treffen, wie „Ich bin teamfähig,“ ist es wichtig, nachzufragen und konkret zu fragen, was das für sie bedeutet und wie sie das in der Vergangenheit gezeigt haben. Das hilft, die Antwort genauer zu verstehen.
Recruiter sollten auch selbstreflektierende Fragen stellen, wie „Was hast du aus dieser Erfahrung gelernt?“ oder „Was würdest du in dieser Situation anders machen?“ Diese Fragen fördern die Selbstreflexion und zeigen, wie Bewerbende mit Herausforderungen umgehen.
Schließlich ist es hilfreich, nach konkreten Schritten zu fragen, die die Bewerbenden unternehmen würden, um die eigenen Ziele zu erreichen. Diese Fragen zeichnen sich durch ihre Tiefe und ihre Fähigkeit aus, die Gedanken und Qualitäten der Bewerber und Bewerberinnen genauer zu erfassen.
Neben deinen Tätigkeiten für FeMentor und The Mentoring Club gUG, teilst du deine Expertise auf LinkedIn, in Podcasts und Messen wie dem OMR-Festival. Auf welche Art kann man am meisten von deiner Expertise mitnehmen und auf welcher Messe trifft man dich als nächstes an?
Ich war zuletzt auf als Speakerin auf der Digital Recruiting Konferenz in Düsseldorf und werde zeitnah bei einem Podcast von Talentconnect mitwirken. Es kommen noch ein paar kleine virtuelle Live-Events alles rund um das Thema Employer Branding und Recruiting.
Ein weiteres Highlight ist die Veranstaltung „Schicht im Schacht“ von Marcel Rütten, bei der hochkarätige Sprecher auftreten. Ich bin immer beeindruckt von der Qualität der Organisatoren und der erstklassigen Referenten bei diesem Event.
Gelegentlich verknüpfe mein Mentoring-Engagement mit bestimmten Veranstaltungen. Für Interessierte besteht auch die Möglichkeit, mein Wissen über den Mentoring Club zu buchen. Derzeit bin ich mit zwei Mentees in Kontakt. Ich bin immer fasziniert von den Fragen und Anliegen, die aufkommen, wenn Bedarf besteht. Das ist für mich äußerst bereichernd.
Ein weiteres Projekt, an dem ich beteiligt bin, ist 20Mentees von der DEBA -Deutsche Employer Branding Akademie. Das Programm startet bald, und befasst sich mit dem Thema „Employer Branding“. In großen Konzernen wird Mitarbeiterbindung und Engagement oft diskutiert, aber ich gehe einen Schritt weiter und spreche von Mitarbeiterloyalität, da dieser Begriff tiefergreifend ist als bloße Bindung. Bindung kann bedeuten, dass man vertraglich gebunden ist, was negativ konnotiert ist. In Bezug auf Unternehmenskultur und den Wandel in diesem Bereich ist es wichtig, zu verstehen, wie diese Themen miteinander verknüpft sind. Beim Aufbau einer Marke werden oft Fragen zur Kultur aufgeworfen, die nicht immer in Verbindung stehen. Das sind Aspekte, die mich sehr interessieren, und ich freue mich darauf, sie weiter zu erforschen.
Welche Projekte stehen für dich aktuell bei Geers im Employer Branding an?
Neben den bereits bestehenden Projekten wie dem Alumni-Programm, setzen wir unsere Bemühungen verstärkt auf die Mitarbeiterempfehlungen. Obwohl wir bereits ein solches Programm haben, haben wir es erweitert, insbesondere im Hinblick auf die Regionalität und Kommunikation.
Wir versuchen, die Mitarbeitenden dazu zu ermutigen, mehr Empfehlungen auszusprechen. Dabei geht es nicht nur darum, die Empfehlungen zu fördern, sondern auch darum, die individuellen Geschichten der Mitarbeitenden besser zu würdigen. Wir haben viele inspirierende Geschichten im Unternehmen. Aufgrund unserer dezentralen Struktur, in der Mitarbeitende in verschiedenen Städten wie Hamburg und München arbeiten, haben sie oft begrenzte Möglichkeiten, sich kennenzulernen. Es gibt aktuell kein zentrales Event, bei dem sie alle zusammenkommen, daher möchten wir eine Plattform schaffen, auf der sie ihre Geschichten teilen und sich vernetzen können.
Zudem sind wir dabei, unsere Anreizsysteme zu verbessern. Hierbei konzentriere ich mich insbesondere auf das Belohnungssystem. In Bezug dessen stellen wir uns die Frage, wie wir die Bindung und Loyalität der Mitarbeitenden fördern können, unabhängig von Belohnungen. Da Motivation ja eher aus der Begeisterung und Interesse an der eigenen Arbeit entsteht.
Zurzeit arbeiten wir an der Initiative „Ich bin GEERS“, um das Zugehörigkeitsgefühl und die Verbundenheit der Mitarbeitenden zu dem Unternehmen zu stärken. Dies ist besonders wichtig, da GEERS aufgrund von Unternehmenszukäufen eine vielfältige Geschichte hat, und wir möchten sicherstellen, dass alle Mitarbeitende ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu GEERS haben.
Aktuell befinden wir uns in der Planungsphase für diese Projekte und arbeiten intensiv im Projektteam daran, wie wir sie umsetzen werden. Wichtig ist uns, dass unsere Bemühungen im Bereich Employer Branding in den nächsten zwei bis drei Jahren weiterhin erfolgreich sind.
Wo siehst du derweil die größten Hebel im Employer Branding?
Ich bin überzeugt, dass es in erster Linie auf Empfehlungen ankommt. Da ich selbst eine ehemalige Mitarbeiterin bin, weiß ich, dass, wenn die Guten gehen, sie oft potenzielle Talente empfehlen, wenn sie in ihrem Netzwerk eine passende Stelle entdecken. Sie verlassen das Unternehmen auf positive Weise und sind selbst eine Art Markenbotschafter. Daher denke ich, dass es nicht nur wichtig ist, Empfehlungen von aktuellen Mitarbeitenden zu erhalten, sondern auch von ehemaligen Kolleg:innen und potenziellen Kandidat:innen, die unsere Unternehmenskultur schätzen. Das Empfehlungsgeschäft spielt besonders in unserer Zielgruppe, den Hörakustikern eine wichtige Rolle.
In einem menschenzentrierten Umfeld wie dem Handwerk, ist die Meinung und Reputation der Personen von entscheidender Bedeutung. Daher halte ich es für äußerst sinnvoll, über Markenbotschafterprogramme nachzudenken. Dies ermöglicht es Expert:innen in unserem Unternehmen, ihre Fachkompetenz zu demonstrieren und den Ruf unseres Arbeitgebers zu stärken. Außerdem ist die Reputation auf globaler Ebene von großer Bedeutung, sei es die Markenreputation, Unternehmensreputation oder Arbeitgeberreputation. Dies wird in Zukunft noch wichtiger werden.
Was meine Zielgruppe betrifft, so ist es interessant zu beobachten, dass sie nicht unbedingt auf LinkedIn aktiv ist. Daher wird es in sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook, die von dieser Zielgruppe genutzt werden, möglicherweise andere Möglichkeiten geben, die Personal Brand neu aufzubauen oder in diesem Umfeld zu agieren. Dies wird sicherlich eine spannende Entwicklung sein.
Vielen Dank für deine Zeit und deinen Input, Beate!