Generation Z und Employer Branding: Wie du junge Talente authentisch ansprichst und effektiv förderst

Ein Gespräch mit Selina Schröter, Head of Business bei Leucht One und LinkedIn Top Voice der Next Gen

Jüngere Generationen zu erreichen und gleichzeitig ein authentisches Employer Branding aufzubauen, ist heute eine der zentralen Herausforderungen für Unternehmen. Um das zu meistern braucht es authentische Perspektiven.

Im Interview mit Selina Schröter, Head of Business Development & Communication bei Leucht One und LinkedIn Top Voices der Next Gen, haben wir darüber gesprochen, welche Verantwortung Unternehmen in der Berufsvorbereitung und Bildung von Schülerinnen und Schülern tragen, wie Recruitingprozesse neu gedacht werden sollten und wie junge Berufseinsteiger:innen ein effektives Netzwerk aufbauen können. 

 

Hallo Selina, ich freue mich, dass wir heute miteinander sprechen. Magst du dich einmal selber kurz vorstellen?

Ja gerne. Ich bin Selina Schröter, 26 Jahre alt, und habe die letzten acht Jahre im Konzernumfeld verbracht. Mein Berufsweg begann klassisch nach dem Abitur mit einem dualen Studium bei der Siemens AG. Dort hatte ich die Gelegenheit, verschiedene Abteilungen und Bereiche sowohl im Inland als auch im Ausland kennenzulernen. In den letzten vier Jahren war ich aktiv am Aufbau und der Weiterentwicklung des jungen Employer Branding für Siemens beteiligt. Parallel dazu absolvierte ich meinen Master-Abschluss. 

Seit Anfang dieses Jahres habe ich mich für einen Wechsel in ein Startup entschieden, da ich das Bedürfnis verspürte, ein neues Umfeld zu kennenzulernen und mich neuen Herausforderungen zu stellen. Seit April arbeite ich bei Leucht One als Head of Business Development & Communication – ein Startup, das sich auf die Gestaltung zukunftsorientierter Arbeitsflächen, Arbeitsplätze und Eventplätze spezialisiert, auch für Konzerne. Nebenbei bin ich selbstständig tätig, insbesondere im Bereich GenZ Recruiting, wo ich Unternehmen dabei unterstütze, die junge Generation als Arbeitgeber:innen zu begeistern und zu gewinnen. 

 

Anfang des Jahres hast du bei LeuchtOne gestartet. Welche Einflüsse kann die Gestaltung des Arbeitsumfelds auf die Arbeitsweise haben – inwiefern ist sie lediglich ein Ausdruck bereits agiler und innovativer Zusammenarbeit?

Das ist natürlich eine sehr breite Frage. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Arbeitsweise eines Unternehmens viel über seine Struktur und Kultur aussagt. Diese Aspekte lassen sich oft schon stark anhand des Arbeitsumfelds und der Arbeitsmethoden ablesen. 

Man muss jedoch differenzieren. Ein entscheidender Faktor ist meiner Meinung nach nicht nur die physische Ausstattung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumgebung, sondern auch die tatsächliche Nutzung durch die Mitarbeitenden. Was nützt es, wenn ein modernes Büro mit modernster Technik ausgestattet ist, aber nur selten genutzt wird, weil die meisten Mitarbeiter:innen im Homeoffice arbeiten?

Es stellt sich die Frage, ob das Büro regelmäßig genutzt wird, ob die Mitarbeitenden es gerne besuchen und ob sie die Flexibilität haben, ihren Arbeitsort zu wählen. Spielt die Unternehmenskultur eine unterstützende Rolle bei dieser Entscheidung und wird sie in der Praxis umgesetzt? Diese sind entscheidende Faktoren, die Aufschluss darüber geben, wie gut das Unternehmen aufgestellt ist.

Grundsätzlich ist es von großer Bedeutung, dass Unternehmen sich sowohl aktuell als auch in Zukunft intensiv um die Gestaltung ihrer Arbeitsatmosphäre kümmern und ihr Augenmerk darauflegen. Denn letztendlich sagt die Arbeitsatmosphäre viel darüber aus, wie zufrieden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Job sind, wie lange sie voraussichtlich dem Unternehmen treu bleiben oder ob sie vielleicht einen Wechsel in Erwägung ziehen. 

Daher sollte kein Unternehmen sich dem Entwickeln einer positiven Atmosphäre, in der sich möglichst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen, entziehen. Dies zu erreichen, ist sicherlich keine einfache Aufgabe, da jeder individuelle Bedürfnisse und Vorstellungen hat. Dennoch sollte das Ziel sein, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der jeder die Möglichkeit hat, seine Arbeit optimal und im Einklang mit seiner Persönlichkeit auszuüben. 

Als Startup können wir an diesem Punkt ansetzen und Unternehmen dabei unterstützen, eine solche Kultur zu etablieren und das Gemeinschaftsgefühl aufrechtzuerhalten, insbesondere in einer hybriden Arbeitswelt. 

 

Bevor du zu LeuchtOne gewechselt bist, warst du in einem Konzern tätig, wo du als Marketing- und Projektmanagerin, Brand Ambassador und Employer Branding Specialist gearbeitet hast. Einer deiner Tätigkeitsschwerpunkte lag auf dem Thema Employer Branding, mit einem besonderen Fokus auf die jüngeren Generationen.

Welche Vorteile siehst du für die Gen Z für die Mitarbeit in einem Konzern im Vergleich zu einem Startup? Und wie können diese unterschiedlichen Arten von Unternehmen die jüngere Generation ansprechen, während sie gleichzeitig authentisch in ihrem Employer Branding bleiben?

Das ist eine umfassende Frage, über die wir stundenlang quatschen könnten. Ehrlich gesagt, als ich so mit 16 oder 17 meinen beruflichen Weg überlegt habe, war ich noch ziemlich unsicher, was ich eigentlich machen wollte. Ist ja auch normal, in dem Alter weiß man oft noch nicht so genau, wohin es gehen soll. Was ich an Konzernen schätze, ist, dass du während eines dualen Studiums, einer Ausbildung oder wie auch immer du einsteigst, die Chance hast, viele verschiedene Sachen auszuprobieren. 

In den ersten Jahren habe ich nicht nur einen Blick ins Unternehmen und in die Arbeitswelt bekommen, sondern vor allem auch in mich selbst. Ich habe meine Stärken besser kennengelernt und darüber nachgedacht, was mich eigentlich interessiert. Bei einem Konzern hat mir geholfen, dass ich auf nationaler und internationaler Ebene viel erleben konnte. Dadurch konnte ich ein breites Netzwerk aufbauen, was mir dabei half, herauszufinden, was mich wirklich interessiert. 

In einem Startup bist du natürlich näher dran an vielen Aspekten und kannst oft den gesamten Prozess von Anfang bis Ende schneller miterleben als in einem großen Unternehmen. Aber auf der anderen Seite bietet ein Großkonzern schon eine gut etablierte Struktur und ein großes Netzwerk, von dem du profitieren kannst. Zum Beispiel bei Siemens, einem der ältesten und größten privaten Ausbilder in Deutschland, findest du jede Menge Erfahrung und Qualität in Ausbildungs- und Studienprogrammen. Ich persönlich habe echt von der professionellen Durchführung und Qualität profitiert, die in solchen großen Unternehmen vorhanden sind. Konzerne können das auch als ihr Alleinstellungsmerkmal nutzen, vor allem, wenn sie junge Talente ansprechen wollen. Dadurch können sie sich abheben und dies aktiv in der Ansprache der jungen Talente nutzen. 

Wenn wir über Employer Branding sprechen, sollten wir uns zuerst fragen, was uns besonders macht und was unsere Arbeitgebermarke ausmacht. Wer sind wir und wofür stehen wir eigentlich? Warum sind wir einzigartig und warum sollten Leute sich für uns entscheiden?

Diese Besonderheiten können vielfältig sein – sie können in unseren Werten oder speziellen Angeboten liegen. Es ist wichtig, sich dieser Dinge bewusst zu sein, um dann gezielte Botschaften für verschiedene Zielgruppen entwickeln zu können. Das ist der erste Schritt: Klarheit über unsere Identität und wie wir nach außen auftreten wollen. 

Erst danach sollten wir analysieren, wen wir eigentlich ansprechen wollen. Oft wird über die Gen Z geredet, als wären alle Mitglieder dieser Generation gleich. Aber so ist das nicht – es gibt viele unterschiedliche Individuen in dieser Generation. Als Unternehmen müssen wir uns zuerst fragen, welche dieser Personen wir ansprechen möchten. Wen möchten wir gerne als Kolleg:innen gewinnen? Und dann sollten wir überlegen, wo sich diese Personen aufhalten. Hier können Studien helfen, genauso wie Institute wie Trendence, die Arbeitgeberbewertungen veröffentlichen und uns Hinweise geben, wie wir unsere Zielgruppen erreichen können. 

Es ist auch super hilfreich, direkt mit jungen Leuten zu sprechen, anstatt nur über sie zu reden. Durch den Dialog können wir herausfinden, wie wir bei dieser speziellen Zielgruppe wahrgenommen werden. Wissen sie über uns als Arbeitgeber:in Bescheid? Sind wir überhaupt in ihrem Blickfeld oder kennen sie uns vielleicht noch gar nicht? Wenn sie uns schon kennen, was denken sie über uns? Haben wir ein positives oder vielleicht sogar ein negatives Image? Und wer sind unsere Konkurrenten in diesem Umfeld? Welche anderen Arbeitgeber:innen interessieren dieselbe Zielgruppe? All diese Analysen sollten wir zuerst durchführen, um dann die gewonnenen Informationen zu nutzen und zu überlegen, wie wir diese Zielgruppe am besten ansprechen können. 

Und dazu gehört eine passende Auswahl der Kanäle. Ich persönlich finde eine Mischung aus Online- und Offline-Marketing am besten. Wenn man weiß, wen man ansprechen will, kann man ableiten, wo sich diese Personen aufhalten und wie man sie am besten erreicht. In der heutigen Zeit ist es besonders wichtig, sich nicht nur auf traditionelle Wege wie Jobportale oder konventionelle Karrierepfade zu beschränken. Stattdessen sollte man bewusst in Bereichen präsent sein, wo man vielleicht nicht erwartet wird. Man sollte die Zielgruppe dort ansprechen, wo sie ihre Freizeit verbringt. Dabei ist es jedoch wichtig, authentisch zu bleiben und sich nicht krampfhaft zu verjüngen, nur um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. 

Ich gehöre selbst zu der Generation Z und sehe oft auf Social Media, wie große Unternehmen plötzlich vor der Kamera auftauchen und versuchen, cooler zu wirken, nur weil sie jetzt einen Account haben. Das kann nach hinten losgehen, da es oft nicht echt und glaubwürdig wirkt. Die Glaubwürdigkeit zu bewahren, indem man sich selbst treu bleibt und seinen eigenen Stil beibehält, ist entscheidend. Denn die Zielgruppe merkt sofort, wenn etwas nicht authentisch ist. 

Ich kann gerne ein Beispiel nennen, das ich vor zwei oder drei Wochen online gesehen habe und echt beeindruckend fand. Die Tagesschau hat ein Posting zum Jugendwort des Jahres gemacht. Das ist jedes Jahr ein Highlight, weil alle darüber reden, wie die Tagesschau die neuesten Jugendwörter vorstellt. Dieses Mal hat die Deutsche Bahn das aufgegriffen, weil eines der Jugendwörter, das im Finale oder in der Auswahl stand, „auf lock“ hieß. Die Deutsche Bahn hat das kommentiert: „Endlich mal ein Jugendwort, das wir kennen.”. Die Antwort ging sofort viral. Das ist für mich ein tolles Beispiel dafür, dass man sich nicht verstellen oder etwas vorspielen muss, um in den sozialen Medien mitzureden. Man braucht einfach ein bisschen Humor, darf sich selbst nicht zu ernst nehmen und kann dann auf diese Trends aufspringen, ohne eine Maske aufzusetzen. 

In einem deiner LinkedIn-Beiträge hebst du die Bedeutung der Potentiale von Bewerberinnen und Bewerbern im Vergleich zu ihren formalen Qualifikationen hervor. Wie können Unternehmen Potenzial bei Bewerbenden erkennen und fördern, und welche Auswirkungen hat dies auf die Gestaltung von Stellenanzeigen und -profilen?

Vielleicht habe ich dies in einem meiner letzten Posts etwas provokant formuliert, aber ich bin davon überzeugt, dass es entscheidend ist, wenn man sich Stellenanzeigen anschaut. Oft sind die mit langen Listen von Anforderungen gespickt, die auf den ersten Blick abschreckend wirken können. 

Das ist besonders wichtig, wenn es darum geht, mehr Vielfalt zu fördern. Unternehmen wollen ja ein breites Publikum ansprechen. Aber diese langen Anforderungslisten können abschreckend wirken, vor allem in Bezug auf Geschlechterrollen. Es wurde bewiesen, dass Frauen sich erst bewerben, wenn sie sich fast vollständig mit den aufgelisteten Kriterien identifizieren können, während Männer sich schon bei weniger Übereinstimmung bewerben. Das führt dazu, dass lange Anforderungslisten qualifizierte Kandidatinnen ausschließen können, die sich sonst vielleicht beworben hätten. Deshalb finde ich es besser, Menschen als Ganzes zu betrachten, anstatt sie nur nach ihren bisherigen Qualifikationen zu beurteilen. Natürlich gibt es Grenzen, und ich sage nicht, dass jemand ohne medizinische Ausbildung Chirurg werden sollte – das wäre unrealistisch. Bestimmte Jobs erfordern bestimmte Qualifikationen. 

Aber in den Bereichen, in denen ich aktiv bin, und auch in meinen vorherigen Jobs, gibt es Positionen, die nicht zwangsläufig einen speziellen Hintergrund erfordern. Quereinsteiger:innen können hier wirklich gut arbeiten und diese Jobs erfolgreich ausfüllen. Das bedeutet, dass der Rekrutierungsprozess und die Stellenausschreibungen so gestaltet sein sollten, dass sie ein breiteres Spektrum von Bewerber:innen ansprechen und ihnen die Möglichkeit geben, weiter im Auswahlprozess zu kommen. 

Die Herausforderung besteht oft darin, dass viele Bewerber:innen bereits in den ersten Runden des Auswahlprozesses ausgesiebt werden, bevor sie sich persönlich vorstellen können. Hier sehe ich die Chance darin, dass die anfängliche Auswahl nicht nur auf Basis von Qualifikationen getroffen wird, sondern dass früher persönliche Gespräche geführt werden. Das gibt uns die Möglichkeit, die Bewerber:innen im Voraus kennenzulernen und ihr Potenzial zu erkunden, denn hinter den meisten Lebensläufen stecken erstaunliche Geschichten. 

In Bezug auf die sich wandelnde Arbeitswelt ist klar, dass traditionelle Karrierewege und lineare Lebensläufe nicht mehr die Norm sind. Anstatt uns auf einen starren Pfad festzulegen, sollten wir die vielen Möglichkeiten nutzen, die sich bieten. Menschen, die verschiedene Bereiche erkundet, verschiedene Jobs gemacht und verschiedene Branchen kennengelernt haben, bringen eine breitere Palette an Erfahrungen mit als diejenigen, die einen einzigen, eng definierten Weg eingeschlagen haben.

Daher bin ich ein großer Fan davon, im persönlichen Gespräch die Motivation einer Person zu erforschen. Motivation ist zwar nicht alles, aber sie spielt eine entscheidende Rolle. Motivation ist etwas, das man Bewerber:innen nicht beibringen kann; sie müssen sie von sich aus mitbringen. Wenn jemand die innere Motivation hat, zu lernen und sich weiterzuentwickeln, ist das oft wertvoller als nur ein formaler Abschluss auf dem Papier. In diesem Zusammenhang möchte ich Unternehmen ermutigen, darüber nachzudenken, wie sie sich an diese Veränderungen anpassen können.

In meinem letzten Job gab es ein Beispiel dazu: Früher mussten Bewerber:innen in jedem Bewerbungsprozess zunächst einen klassischen Test durchlaufen, in dem vor allem traditionelles Wissen und kognitive Fähigkeiten geprüft wurden. Aber das hat sich geändert. Wir sind zu einem umfassenderen Persönlichkeitstest übergegangen, der darauf abzielt, das Verhalten und die Entscheidungsfindung der Person zu verstehen, einschließlich ihrer Neigung zum Risiko. Das hat uns ein viel besseres Bild von den Bewerber:innen gegeben. 

Heutzutage dient das eher als Grundlage, anstatt uns nur auf kognitive Fähigkeiten zu konzentrieren. Das ist ein wichtiger Schritt, der es uns ermöglicht, Bewerbende auf eine umfassendere Weise zu betrachten. Wir überlegen, wen wir wirklich brauchen und was wir in einer Person suchen. Geht es nur um Qualifikationen oder auch um emotionale Intelligenz? In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz immer wichtiger wird, sind soziale und emotionale Intelligenz unerlässlich, insbesondere in der Zusammenarbeit und im Führungsverhalten. Empathie und emotionale Intelligenz sind Fähigkeiten, die man als Arbeitgeber:in nicht einfach vermitteln kann; sie müssen von den Bewerberinnen bereits mitgebracht werden.

Meine Hauptbotschaft ist, dass es an der Zeit ist, Bewerberinnen ganzheitlicher zu betrachten. Es gibt keine perfekte Lösung, wie dieser Prozess aussehen sollte; er muss individuell angepasst werden. Aber wir sollten nicht nur Qualifikationen als Ausschlusskriterium verwenden, sondern sie in den Kontext stellen und die Person als Ganzes betrachten. 

 

In der Vergangenheit hast du unter anderem an Partnerschaftsprogrammen und der Gestaltung der Social-Media-Präsenz deines Unternehmens mitgewirkt, um jüngere Personen anzusprechen. Ein bemerkenswertes Projekt war eure Präsenz auf der Gamescom.

Welche Plattformen, Veranstaltungen und Initiativen sollten Unternehmen in Betracht ziehen, um die jüngere Generation anzusprechen? Und wie können Unternehmen herausfinden, welche dieser Plattformen, Veranstaltungen und Initiativen am besten zu ihnen passen?

Es ist hilfreich, sich mit Studien, zum Beispiel von Trendence, zu beschäftigen, die nicht nur Arbeitgeber-Rankings bieten, sondern auch die Aktivitäten der Zielgruppe deutlich aufzeigen. Es ist wichtig, persönlich mit der Zielgruppe in Kontakt zu treten, sei es durch Universitätsbesuche oder Gespräche mit eigenen Azubis oder Studierenden in passendem Alter. Die Kommunikation sollte auf Augenhöhe stattfinden, wobei ehrliches Feedback nicht immer einfach zu bekommen ist. Dennoch wünscht sich die Generation eine solche offene Kommunikation und Einbindung in den Prozess. 

Es ist wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und unkonventionelle Platzierungsmöglichkeiten zu finden. Ein Beispiel hierfür war die Teilnahme von Siemens als Arbeitgeber an der Gamescom. Wir haben uns bewusst für diesen Schritt entschieden, da wir eine spezifische Zielgruppe ansprechen wollten: 14–18-jährige mit Gaming- und IT-Affinität. Wir haben unsere Präsenz auf der weltweit größten Gaming-Messe in Köln platziert, was vor allem zu Beginn der Planung nicht immer einfach war und viel Überzeugungskraft benötigte. Natürlich was dieses Vorhaben mit gewissen Risiken verbunden, da es eine sehr unkonventionelle Art der Taltentansprache war. Letztlich wurde die Aktion jedoch zu einem großen Erfolg.  

Um die Zielgruppe zu erreichen, haben wir den Corporate Auftritt auf das Setting der Gamescom angepasst und dafür gesorgt, dass wir vor Ort auffallen. Wir sind auf die Erwartungen der Zielgruppe eingegangen und haben aktiv Brücken zwischen der Gaming- und der Berufswelt geschlagen. Wir haben uns Zeit genommen, die Meinungen von Azubis und Studierenden einzuholen. Dies erforderte Engagement, Zeit und finanzielle Ressourcen, aber am Ende hat es sich gelohnt. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Awareness-Phase, in der man die Aufmerksamkeit der Zielgruppe erweckt, nicht unmittelbar in Bewerbungen umgewandelt wird. Stattdessen ist es der erste Schritt, um in den Köpfen der Zielgruppe präsent zu sein. Eine erfolgreiche Bewerbung kann sich auch erst nach Jahren ergeben. 

Als Co-Gründerin hast du das Projekt #siemensbewegtschule unterstützt. Das Ziel des Projektes war es, soziale Ungleichheit in den Schulen zu minimieren, die Digitalisierung voranzutreiben und Kindern und Jugendlichen einen Einblick in die Berufswelt zu geben. Du hast ein duales Studium absolviert und während du in Vollzeit tätig warst, hast du noch ein Masterstudium draufgelegt.

Was hat dich zu deinem Engagement in diesem Projekt bewegt und welche Verantwortung sollten Unternehmen deiner Meinung nach bei der Vorbereitung von Schüler:innen und Absolvent:innen auf die Berufswelt tragen? Wie könnten Unternehmen (Dual-)Studierende und Auszubildende optimal unterstützen?

Ich bin fest davon überzeugt, dass große Unternehmen eine Verantwortung tragen und dieser gerecht werden sollten. Oft wird die soziale Dimension der Nachhaltigkeit vernachlässigt, während vor allem die ökonomischen und zunehmend auch die ökologischen Aspekte viel Aufmerksamkeit erhalten. Auch dies ist wichtig und muss weiterhin vorangetrieben werden, doch die soziale Verantwortung darf dabei nicht vernachlässigt werden. Soziale Verantwortung bedeutet nicht nur die Unterstützung von sozialen und gemeinnützigen Projekten und Initiativen, sondern auch den aktiven Einsatz an eigenen „Baustellen“. Unternehmen haben diese Verantwortung sowohl gegenüber ihrem eigenen Nachwuchs als auch den Menschen, die sich in der allgemeinen Bildungspipeline befinden. 

Die Initiative #siemensbewegtschule entstand, als wir in der ersten Welle der Pandemie feststellten, dass Schulen vor großen Herausforderungen standen und Lehrkräfte oft alleine gelassen wurden. Mit unserem Wissen und Ressourcen bei Siemens haben wir begonnen, Lehrkräften Schulungen anzubieten, wie sie Microsoft Teams für den Unterricht nutzen können. Wir haben keine Produkte verkauft, sondern lediglich unser Wissen geteilt. Unsere Initiative wuchs und entwickelte sich, und wir boten Schulungen, Trainings und virtuelle Workshops für Schüler:innen an. Unsere Motivation war intrinsisch, weil wir eine Verantwortung sahen, etwas zu tun. Dies wurde bei Siemens positiv aufgenommen, und wir wurden als eigenständige Initiative anerkannt. 

Unternehmen sollten sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben Verantwortung übernehmen und diese in ihrer Unternehmenskultur leben. Bei Siemens habe ich gesehen, dass viel in diese Richtung getan wird, sowohl für Auszubildende als auch für Studierende. Die Unterstützung von Auszubildenden und Studierenden erfordert Orientierung, besonders am Anfang, wenn man sich überfordert fühlt. Mentoring kann hierbei sehr hilfreich sein. Dies ermöglicht es, Kontakte zu knüpfen und Fragen zu stellen und Feedback zu erhalten, das über einseitige Bewertungen hinausgeht. 

Das duale Studium bot mir die Möglichkeit, Theorie und Praxis zu verknüpfen und meine Fähigkeiten zu entwickeln. Unternehmen sollten die individuellen Stärken und Interessen ihrer jungen Talente berücksichtigen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bieten. Es ist wichtig, junge Talente von Anfang an ernst zu nehmen und Verantwortung zu übertragen, wenn auch in einem angemessenen Rahmen. Eine wertende Trennung zwischen Auszubildenden und dual Studierenden sollte vermieden werden, um ein gemeinsames Gefühl der Zugehörigkeit zu fördern. Die Vielfalt der Abteilungen und Erfahrungen innerhalb des Unternehmens kennenzulernen, half mir, das Unternehmen zu verstehen und meine Stärken zu entwickeln. Arbeitgeber:innen sollten auf die Interessen und Schwerpunkte ihrer Mitarbeitenden eingehen und Wege zur Weiterentwicklung bieten. 

Unternehmen sollten auch die Möglichkeit eines beruflichen Wechsels unterstützen, wenn dies für die persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden sinnvoll ist. Dies fördert positive Beziehungen und kann dazu führen, dass Mitarbeitende in der Zukunft zurückkehren oder andere dazu ermutigen, sich beim Unternehmen zu bewerben. Es ist entscheidend, junge Talente nicht daran zu hindern, neue Möglichkeiten außerhalb des Unternehmens zu erkunden, sondern sie dabei zu unterstützen. Dies trägt zur positiven Reputation des Unternehmens bei und kann langfristig von Vorteil sein. Arbeitgeber:innen sollten die Wechselbereitschaft der jungen Generation respektieren, anstatt Hindernisse zu schaffen. 

 

Du betonst immer wieder die Bedeutung von Networking und hast auch ehrenamtlich Netzwerkarbeit betrieben.

Welche Tipps hast du für Berufseinsteiger:innen, um ein berufliches Netzwerk aufzubauen, und wie können Unternehmen den Aufbau von solchen Netzwerken unterstützen und von diesen profitieren?

Ein starkes berufliches Netzwerk kommt nicht von alleine. Die Verantwortung liegt in erster Linie bei der Person selbst, sowohl beim Aufbau als auch bei der Pflege der Kontakte. Nicht nur zu Arbeitgeber:innen, sondern auch zu anderen Personen außerhalb des eigenen Unternehmens. 

Auch wenn man vielleicht nicht besonders extrovertiert oder eher schüchtern ist, sollte man sich dennoch trauen, auf andere zuzugehen. Das klingt zwar banal, aber ich habe die besten Erfahrungen gemacht, wenn ich einfach jemanden angesprochen und mein Interesse gezeigt habe. Persönliche und wertschätzende Gesprächsstarter, die echtes Interesse an der Person und ihrer Tätigkeit bekunden, können hier hilfreich sein. Dazu muss man die Person vorab nicht unbedingt kennen – man kann sie z.B. auch über Plattformen wie LinkedIn gefunden haben und darüber kontaktieren. 

Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass die Person aus Zeitmangel ablehnt oder nicht reagiert. Aber das ist kein Grund aufzugeben. Vielleicht ergibt sich später eine Gelegenheit oder die Person kommt von selbst auf dich zu. Du hast also nichts zu verlieren. Diese Herangehensweise hat mir immer geholfen. Ich lasse mich auch nicht von Hierarchien oder Jobtiteln abschrecken. Es ist erstaunlich, wie positiv die Reaktionen oft ausfallen, wenn man auf jemanden zugeht und sich für seine Arbeit interessiert. Mittlerweile erlebe ich sogar, dass Leute auf mich zukommen, worüber ich mich persönlich immer sehr freue. 

Um den Netzwerkaufbau zu strukturieren, empfehle ich die Teilnahme an Mentoring-Programmen. Viele Unternehmen bieten diese an, aber es gibt auch externe Programme. Mentoring entwickelt sich zunehmend zu einem beidseitigen Lernprozess, bei dem auch Führungskräfte von jungen Leuten lernen können. Eine andere Möglichkeit sind (virtuelle) „Coffee Talks“. Einfach eine Person anschreiben, die man interessant findet, und um einen kurzen virtuellen Kaffeeklatsch bitten. Das ist oft ein guter Einstieg in die Kontaktaufnahme. Diese Tipps können wirklich helfen. Networking ist eine wichtige Fähigkeit, die man mit Übung entwickeln kann. Je öfter du es machst, desto leichter wird es. 

 

Seit Kurzem bist du als Mentorin im Modell „Reverse Mentorship“ bei Digital8 aktiv, um deine Einsichten zur Gen Z mit Führungskräften zu teilen. Von Linkedin wurdest du außerdem bereits als Top Voice für die Next Gen ausgezeichnet.

Welche häufig auftretenden Missverständnisse oder Fehlinterpretationen über die Gen Z siehst du in unserer Gesellschaft?

Ich denke, das größte Missverständnis besteht darin, Generationen in Silos zu stecken. Zum Beispiel zu glauben, dass die Gen Z grundsätzlich keine Lust auf Arbeit hat und nur Geld verdienen möchte, ohne viel dafür zu tun. Stereotypen entstehen häufig dann, wenn man nicht miteinander, sondern übereinander spricht. 

Wenn ich als Speakerin unterwegs bin betone ich daher immer, dass der erste Schritt darin besteht, keine pauschalen Aussagen über eine Generation aufgrund von Stereotypen zu treffen. Ich finde es dennoch wichtig, über Generationen und ihre Unterschiede zu sprechen, da es die äußeren Umstände sind, die Generationen voneinander unterscheiden und auch zu unterschiedlichen Anforderungen, bzw. Erwartungen an das (Arbeits-)Leben führen. Man kann sich darauf beziehen, dass die Gen Z die erste Generation ist, die in einer vollständig digitalisierten Welt aufgewachsen ist. Natürlich haben sie einen anderen Umgang mit Technologie und eine andere Einstellung zur Online-Kommunikation im Vergleich zu anderen Generationen. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt, wie zum Beispiel die Vorliebe für Textnachrichten statt Telefonate. 

Aber solche Erkenntnisse gewinne ich nur, wenn ich mich wirklich mit den Menschen beschäftige und auf Augenhöhe mit ihnen spreche, ohne mich von Stereotypen beeinflussen zu lassen. Stereotypen sind in diesem Zusammenhang wirklich hinderlich. Es gibt sie für jede Generation, und ich bin kein Fan davon, sie zu glorifizieren. 

Letztendlich geht es darum, den Erfolg eines Unternehmens sicherzustellen, indem der eigene Nachwuchs langfristig sichergestellt wird. Das funktioniert nur, wenn man sich auf die Zielgruppe einstellt, sich mit ihren Erwartungen auseinandersetzt und Wege findet, um sie zu gewinnen. Das erfordert möglicherweise eine neue Art der Ansprache und interne Veränderungen. Aber am Ende profitieren alle Generationen im Unternehmen davon, da vielfältige Perspektiven zusammenkommen und berücksichtigt werden. Deshalb halte ich es für entscheidend, den Austausch zu fördern und die Generationen in Unternehmen zu mischen, um in diversen Teams zu arbeiten. Genau wie wir von erfahreneren Generationen lernen können, können diese auch von uns profitieren. Es geht nicht darum, dass eine Generation der anderen die Welt erklärt, sondern um gemeinsames Lernen und voneinander profitieren.  

 

Zusätzlich zu all deinen beruflichen Aktivitäten bist du auch als Speakerin auf Konferenzen & Events tätig. Welche wertvollen Erkenntnisse hast du bisher von Veranstaltungen oder Konferenzen gewonnen und mit welcher Person würdest du gerne einmal gemeinsam auf einer Bühne stehen?

Ich finde es wirklich spannend, wie sich auf Events und Konferenzen Leute austauschen und voneinander lernen. Ehrlich gesagt, gehe ich mittlerweile am liebsten alleine zu solchen Veranstaltungen, denn das zwingt mich aus meiner Komfortzone heraus, und ich kann aktiv mit anderen in Kontakt treten. Anfangs war das für mich eine große Herausforderung, aber letztendlich habe ich gemerkt, dass es der beste Weg ist, neue Kontakte zu knüpfen. 

Eine Sache, die ich immer von solchen Events mitnehme, ist die Erkenntnis, dass viele Menschen ähnliche Fragen und Herausforderungen haben. Das ermutigt mich, mich mit ihnen auszutauschen und vielleicht gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Ein gutes Beispiel ist ein Kollege von mir, den ich aus meiner Zeit bei Siemens kenne. Er ist jetzt Head of Sustainability bei der Allianz. Obwohl wir beide unsere eigenen Wege gegangen sind, arbeiten wir immer noch an gemeinsamen Projekten, weil wir beide von bestimmten Themen begeistert sind. Solche Begeisterung ist an solchen Events spürbar und für mich immer ein Highlight. 

Was die Frage betrifft, mit wem ich gerne auf der Bühne stehen würde, so denke ich, dass es wichtig ist, Role Models zu haben und sich an ihnen zu orientieren. Als ich bei Siemens angefangen habe, war das Janina Kugel, die damals Personalvorstand war. Sie hat Dinge anders gemacht, Veränderung vorangetrieben und sich für ihre Überzeugungen eingesetzt. Sie hat als einzige Frau im Vorstand ihre Prinzipien verteidigt, selbst wenn es unkonventionell war. Ihr Verhalten hat mich inspiriert. Irgendwann habe ich den Mut gefasst, sie anzuschreiben, und wir haben uns im Rahmen eines Events getroffen. Seitdem bleiben wir in Kontakt. 

Für mich zeigt diese Erfahrung, wie wichtig es ist, auf Menschen zuzugehen und sie anzusprechen. Janina Kugel ist für mich eine herausragende Persönlichkeit, und es wäre ein persönlicher Meilenstein für mich, eines Tages mit ihr auf einer Bühne zu stehen. 

 

Vielen Dank für deine Zeit und deinen Input, Selina!